Trumps Naher Osten und Erdoğans Kurdenproblem
Yusuf Karadas
Präsident Erdoğan gehörte zu denjenigen, die sich am meisten über die Wiederwahl Trumps zum US-Präsidenten freuten. Erdoğan hatte bereits in der Ära Biden um die Gunst der USA gebuhlt, jedoch nicht die Aufmerksamkeit erhalten, die er sich erhofft hatte. Nun vertraut er erneut auf Trumps „Aufrichtigkeit“. „Auch wenn es von Zeit zu Zeit Meinungsverschiedenheiten gibt, ist die vorbildliche Partnerschaft zwischen der Türkei und den Vereinigten Staaten unbestreitbar“, erklärte er vor der türkischen Presse und fügte hinzu, dass beide sehr daran interessiert seien, ihre Zusammenarbeit zu verbessern.
Zwei Punkte stechen bei Erdoğans Erwartungen an die neue Ära Trump hervor.
Der erste besteht darin, die Rolle des Vermittlers im russisch-ukrainischen Krieg zu übernehmen, im Einklang mit Trumps früheren Erklärungen „den Krieg zu beenden“. Die Erdoğan-Regierung rechnet damit, dass diese Rolle die Position der Türkei in Europa stärken und den Aktionsradius der von ihr vertretenen bürgerlichen Konservativen erweitern wird.
Zweitens, und das ist noch wichtiger, hofft sie, die Tür für eine expansionistische und militärische Politik in der Region zu öffnen, insbesondere für neue Operationen gegen die Kurden in Syrien, basierend auf der Erwartung, dass die USA der Türkei in der Ära Trump eine führende Rolle im Nahen Osten zugestehen werden.
Erdoğan hatte am Vorabend der Gedenkfeier zu Ehren des Staatsgründers Atatürk am 10. November erklärt: „Wir werden den Kontakt zwischen terroristischen Organisationen und unseren Grenzen vollständig unterbinden. So Gott will, werden wir bald auch die fehlenden Glieder der sicheren Zone, die wir entlang unserer Grenzen geschaffen haben, vervollständigen“. Die Türkei besetzt mehrere Regionen und Kantone in Nordsyrien, die kurdisch verwaltet sind und hat ein Auge auf weitere Gebiete geworfen und erhofft sich von Trump Betätigungsfreiheit.
Wie also wird die regionale (Nahost-)Politik von Trump und seinem Team in der neuen Periode gestaltet werden?
Zunächst einmal definiert Trumps Team China als „die größte nationale Sicherheitsbedrohung“. Die angekündigte Aussöhnung mit Russland geht auf den Ansatz und die Bedenken zurück, dass China zuerst gestoppt werden muss. Die Priorisierung Chinas als Gegenmacht bedeutet jedoch weder, dass der Nahe Osten für den US-Imperialismus an Bedeutung verloren hat, noch dass die gegen den Iran gerichtete Politik aufgegeben worden ist. Im Gegenteil, Trump und sein Team halten es für den Erfolg ihrer Politik gegen China im asiatisch-pazifischen Raum für notwendig, ihre Position im Nahen Osten zu stärken und den Iran zu schwächen.
Trump hatte diese Politik in der Region bereits während seiner ersten Amtszeit verfolgt: Er erkannte Jerusalem als Hauptstadt Israels und die Annexion der Golanhöhen an, setzte den „Deal des Jahrhunderts“ um, um Israel und die kooperierenden arabischen Länder auf seiner politischen Achse zu vereinen, zog sich aus dem P5+1-Abkommen mit dem Iran über die nukleare Zusammenarbeit zurück und ordnete die Ermordung von Qassem Soleimani an, einem führenden iranischen Kommandeur, der damals wichtigsten Figur bei der Umsetzung der iranischen Regionalpolitik.
Um die regionale Rolle zu verstehen, die die Erdoğan-Regierung von den USA in der neuen Ära erwartet, ist es aufschlussreich, einen Blick auf den Bericht „Projekt 2025“ zu werfen, der von den Mitgliedern von Trumps erster Amtszeit für die „Heritage Foundation“ (eine NeoCon-Denkfabrik) erstellt wurde. In diesem Bericht heißt es, dass die regionalen Partner der USA eine größere Rolle bei der Abschreckung Irans spielen sollten. Damit diese Politik erfolgreich ist, empfiehlt der Bericht, dass die Vereinigten Staaten die Erdoğan -Regierung in der Türkei anstelle der Kurden in Syrien unterstützen. Mit anderen Worten: Der Bericht befürwortet eine Rolle der Türkei als Gegengewicht zum Iran, um die regionalen Interessen der USA und Israels zu schützen und sieht die Zusammenarbeit der USA mit den syrischen Kurden als Hindernis für diese Politik.
Die Regierung Erdoğan hat mit ihren „Sicherheits“-Abkommen mit dem irakischen Zentrum und der kurdischen Regionalregierung in Abstimmung mit dem „Entwicklungspfad“ bereits ihre Bereitschaft zu dieser Rolle gezeigt. Er sieht jedoch das Kurdenproblem, das er als „terroristisches Problem“ definiert, als eine Bedrohung für die Umsetzung dieser Politik/Rolle und möchte daher, dass die USA ihre Zusammenarbeit mit den Kurden in Syrien beenden.
Bereits im Dezember 2018 wollte Trump die US-Truppen aus Syrien abziehen, machte aber später auf Intervention des Pentagon und des US-Außenministeriums einen Rückzieher. Somit wäre der Türkei grünes Licht gegeben worden, in Syrien einzumarschieren. Andererseits unterstützten die USA zwar nicht die von der Erdoğan-Regierung im Oktober 2019 unter dem Namen „Operation Friedensquelle“ durchgeführte Operation gegen Rojava-Nordsyrien, ließen die Türkei aber gewähren.
Es wird nicht überraschen, dass Trumps Suche nach einem möglichen Kompromiss mit Russland im Ukraine-Krieg in der neuen Ära auch Auswirkungen auf die Nahost-Arena haben wird. Bereits während Trumps erster Amtszeit hatten geheime Verhandlungen zwischen den USA, Israel und Russland stattgefunden, wie die Begrenzung des iranischen und Hisbollah-Einflusses in Syrien erwirkt werden könnte.
In einer solchen Situation überlegt die Regierung Erdoğan, auch wenn sie in Worten von der „israelischen Bedrohung“ spricht, in Wirklichkeit, wie sie als starker Akteur auftreten kann, der in der neuen Trump-Ära ein Gegengewicht zum Iran in der Region bildet und zu der regionalen Führungsrolle zurückkehrt, die sie mit neo-osmanischen Ambitionen verfolgt hat. Anders sind Erdoğans Lob für Trump, der sich offen zu Israel bekannt hat und seine Erwartungen an die neue Ära nicht zu erklären. Die Regierung Erdoğan erwartet, dass die USA ihre Zusammenarbeit mit den syrischen Kurden beenden und auf dieser Grundlage die Türen für neue Operationen für die Türkei eröffnen wird.
Schon jetzt lässt sich vermuten, dass der Verlauf der Beziehungen der USA zur kurdisch verwalteten Autonomen Verwaltung Nordsyriens, die die USA politisch nicht anerkennen und weiterhin nur militärisch kooperieren, von ihren regionalen Interessen bestimmt werden wird.
Auch wenn Erdoğan hohe Erwartungen in seine neue Amtszeit setzt, sollte man nicht vergessen, dass es Trump in seiner ersten Amtszeit im Dezember 2020 war, der auf Grundlage der seit 2017 geltenden Caatsa-Gesetze („Countering America’s Adversaries Through Sanctions“) Erdoğan aufforderte, „nicht dumm zu sein“ und mit dem „Zusammenbruch der Wirtschaft“ drohte, als er Sanktionen gegen die Türkei verhängte wegen ihrer wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit Russland. Letztlich wird die „Freundschaft“ und „Aufrichtigkeit“ des US-Imperialismus daran gemessen, inwieweit seine Kollaborateure den US-Interessen dienen. Obwohl Trump von der „Beendigung von Kriegen“ spricht, deutet alles darauf, dass der US-Imperialismus auch in der neuen Periode die israelische Aggression unterstützen und diese Aggression nutzen wird, um die Region auf der Grundlage seiner eigenen Interessen zu gestalten und die Spannungen zu verschärfen.
Kaynak: Yenihayat.de
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